Unterhaltungsliteratur im Nationalsozialismus – Teil 3: Bestseller im „Dritten Reich“

Hochzeit von Elly Beinhorn und Bernd Rosemeyer – Protagonisten der boulevardesken Berichterstattung. Bundesarchiv, Bild 146-2007-0212 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons
Leichte, unpolitische Unterhaltungsromane – diese schienen den Bedarf der Leser und Leserinnen im Nationalsozialismus am ehesten zu decken. „Der liebe Augustin“ von Horst Wolfram Geissler, Björndal-Romane von Trygve Gulbranssen, Heinrich Spoerl, die leicht aufrührerischen Lausbubengeschichten von Ehm Welk: Einige dieser Autoren haben immer noch lieferbare Texte im Handel.

„Vom Winde verweht“ von Margaret Mitchell zählte trotz der US-amerikanischen Herkunft und trotz seiner politischen Subtilität im „Dritten Reich“ genauso zu den Bestsellern wie Texte von Karl May. Neben importierten Kassenschlagern gehörten Wissenschaftsromane zu den beliebten Genres. Insbesondere Soldaten, die ihren Wehrdienst zur Weiterbildung nutzten, waren dieser Gattung zugeneigt. „Anilin“ von Karl Alois Schlenzinger beispielsweise spart nicht mit Nationalismus und Antisemitismus, während das Buch auf inhaltlicher Ebene die Entdeckung des Anilin-Farbstoffes beschreibt. Nach dem Krieg wurde der Bestseller etwas abgeändert und weiterhin gut verkauft.

Das Bedürfnis nach Klatsch und Tratsch zeigte sich auch in der NS-Lektüre. So wurden ab 1937 810.000 Exemplare von Erich Gritzbachs „Hermann Göring. Werk und Mensch“ verkauft. Kaum weniger erfolgreich war eine Biographie von Görings früh verstorbener Frau. Die Pilotin Elly Beinhorn oder der tödlich verunglückte Rennfahrer Bernd Rosemeyer waren die Quelle für weitere boulevardeske Bücher im „Dritten Reich“.

Propaganda-Literatur als virtuelle Bestseller

Dass die Propaganda-Literatur aus dem Hause Hitler („Mein Kampf„), Rosenberg („Der Mythus des 20. Jahrhunderts“) und Co. es in die Bestseller-Listen schaffte, lag auch an der Praxis, entsprechende Bücher an die Wehrmacht oder an neu geworbene NSDAP-Mitglieder zu verkaufen. Wer glaubt, dass diese Texte tatsächlich landläufig gelesen wurden, sollte nur einmal versuchen, sich mehr als eine Seite in Philipp Bouhlers „Lesebuch für die deutsche Jugend“ zu Gemüt zu führen.

In der Weimarer Republik war Remarques „Im Westen nichts Neues“ ein großer Erfolg gewesen. Inhaltlich knüpften einige Bestseller an diesen Roman an, mit dessen kritischer Betrachtungsweise bei der schockierenden Darstellung der Kriegsbilder hatten Texte wie Paul Coelestin Ettighoffers „Verdun, das große Gericht“ nichts mehr gemein. Die Auftragsarbeit, die 20 Jahre nach der Schlacht von Verdun erschien, wurde 400.000 Mal verkauft. Solcherlei Texte des „neuen Chauvinismus“, wie Victor Klemperer sie nannte, stammten von Autoren wie Werner Beumelburg oder Hans Zöberlein. Der bestverkaufte Kriegsroman war mit 900.000 verkauften Exemplaren Günther Priens „Mein Weg nach Scapa Flow“ und sammelt Erlebnisberichte aus der Kriegsmarine.

Die Radikalisierung eines Heftromans

Wer auf der Suche nach Pazifismus war, wurde überraschenderweise auch im nationalsozialistischen Deutschland fündig. Der 1937 erschienene Roman „André und Ursula“ von Polly Maria Höfler, der im ersten Weltkrieg spielt, wurde bis 1945 400.000 Mal verkauft und übrigens auch nach dem Krieg in angepasster Version noch im Handel geführt, 1952 sogar verfilmt. Der ursprüngliche Text spricht positiv über Hitler und vertritt nationalsozialistisches Gedankengut, beispielsweise wenn es um Euthanasie geht, ist jedoch kein typischer propagandistischer Text. Im privaten konnte jeder Leser sich bei der Lektüre sein eigenes Bild über die Sinnhaftigkeit von Krieg und den Einfluss der militärischen Auseinandersetzungen auf das Schicksal der Menschen machen.

Am Serienroman „Sun Koh, der Erbe von Atlantis“ von Paul Alfred Müller konnte man den Wandel der Literaturpolitik der Nazis verfolgen. Beginnend mit 1934 erschien wöchentlich ein Heft und da über drei Jahre hinweg. Während in den ersten Ausgaben die Rassentrennung in den USA noch stark kritisiert wurde, wird der dunkelhäutige Komplize der Hauptfigur irgendwann sogar von den Zweitauflagen des Titelbildes wegretuschiert, und selbstredend ereilt ihn das Schicksal einer fortan unerwünschten Personalie: Sie stirbt den Serientod. Die einst multikulturelle Bevölkerung von Atlantis hat sich derweil ebenfalls assimiliert und besteht fortan nur noch aus Volksdeutschen.

Hier geht es zu Teil 1: Der Stellenwert der Unterhaltungsliteratur im Nationalsozialismus und zu Teil 2: Zensur und Literaturpolitik