Kobes: Heinrich Manns Novelle über den Schwerindustriellen Hugo Stinnes

1925 veröffentlicht Heinrich Mann die Novelle „Kobes“ in der Zeitschrift „Die neue Rundschau“. Im heutigen literarischen Kanon spielt der Text keine Rolle mehr. Der Text ist kryptisch, da er eine zeitgenössische Figur portraitiert, die heute nur noch den wenigsten geläufig ist. Es handelt sich um den Schwerindustriellen Hugo Stinnes: bekanntester Wirtschaftsmagnat der Weimarer Republik.

Heinrich Manns großes Thema war die literarische Aufbereitung des Kaiserreichs mit all seinen Scheinheiligkeiten, mit dem Biedermeiertum und der Drückebergerei. Sein 1917 erscheinender Roman „Der Untertan“ ist sein bekanntestes Werk zu dieser Thematik. Das Portrait der wilhelminischen Gesellschaft, verfasst von einem überzeugten Demokraten und Unterstützer der Weimarer Republik, ist noch heute eine vielgelesene Gesellschaftssatire. Diesem Werkzusammenhang schließt sich Manns Novelle „Kobes“ an.

Wer war Hugo Stinnes?

Der Industrielle Hugo Stinnes kaufte reihenweise Unternehmen auf wie andere Briefmarken für ihr Sammelalbum; ursprünglich hatte er sein Business im Bereich der Kohleaufbereitung und des Kohlehandels gestartet. Von der Inflation profitiert er nicht schlecht – während die Massen darben. Von Demut keine Spur: Unbezahlte Mehrarbeit von zwei Stunden, um die Reparationen nach dem Krieg zu bezahlen, so fordert er es in aller Seelenruhe direkt vor dem Reichswirtschaftsrat im Jahr 1922.

Maßnahmen zur Stabilisierung der Mark werde er sämtlich bekämpfen, tönt er bei dieser Gelegenheit, nicht zum ersten Mal. Mit solchen Aussagen polarisiert er – die Medien berichten regelmäßig, er ist verhasst bei vielen, Idol für einige – Mann lässt auch in seiner Novelle einen Vertreter des Mittelstands seinem tatsächlichen Unterdrücker zujubeln, verspottet diese Verbrüderung mit dem Feind.

Der Umsturz des Gelehrten scheitert

Kobes in Heinrich Manns gleichnamiger Novelle besitzt, so wie sein reales Vorbild, ein Wirtschaftsimperium mit tausenden Arbeitern, die für ihn schuften, die nichts weiter sind als Mittel zur Kapitalakkumulierung, „täglich zwanzig Stunden Arbeit“ eben. Das Unternehmen von Kobes hat den Staat geschluckt, verwaltet mit der kalten Hand die Ressorts. Auch die Presse ist längst in den Einflussbereich des Autokraten geraten – so wie auch der reale Stinnes zu seinem Mischkonzern natürlich auch einige Zeitungen zählte, die gar positiv von seinem Charakter berichteten.

Radiostimmen fordern im Klobes-Reich zum Arbeiten auf – und zwar nicht für Geld, sondern für die Sache solle man sich anstrengen. Ein Vorgriff auf eine Orwell’sche Dystopie, wobei Mann wohl noch nicht ahnte, was technisch einmal möglich sein könne. Gewiss aber wurde hier nicht die Stimme von Klobes verwendet. Denn: er pfeift. Genauso wie Stinnes, dessen Stimme hoch und gepresst klang und so gar nicht zu seinem charismatischen Äußeren passen wollte.

Was also tun in dieser Dystopie? Ein Gelehrter – Dr. Sand – möchte die Arbeiter des Klobes-Konzern zum Aufstand verleiten. Leider mit einem komplizierten Plan, der auffliegt.

Einen Unterschied zur Realität gab es dann aber doch: Ob Kobes wirklich existiere, das wissen selbst seine engsten Untergeben um ihn herum nicht so richtig. Einige sprechen zwar davon, dass sie ihn mal getroffen haben. Aber so richtig vertraut sich niemand in Klobes‘ Imperium.