Herta Oberheuser

Der Urteilsspruch des Nürnberger Militärtribunals für Herta Oberheuser lautete: 20 Jahre Freiheitsentzug aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Als eine von 16 weiteren Medizinern, die im Dritten Reich menschenverachtende und grausame Verbrechen in ihrer Funktion als Arzt durchgeführt hatten, war sie beim Nürnberger Ärzteprozess im Jahr 1947 schuldig gesprochen wurden.

Herta Oberheuser war im KZ Ravensbrück mit verschiedenen Menschenversuchen beschäftigt gewesen. Mit Schlägen traktierte sie Hochschwangere bis zum Spätabort, anderen Insassen des Konzentrationslagers, teilweise von ihr persönlich ausgesuchte „vollkommen gesunde polnische Staatsangehörige“, fügte sie verschiedenste Verletzungen zu, welche sie wiederum mit unterschiedlichen Substanzen reizte – z.B. mit Gasbrandbazillen – um den Verlauf der Infektion untersuchen zu können. Besonders gern nutzte sie Polinnen mit sichtbaren Venen für derartige Experimente.

Tötungen durch Benzininjektionen

War ein Objekt für ihre Experimente nicht mehr tauglich, zögerte Herta Oberheuser nicht, ihrem Opfer eine Benzininjektion zu geben – der Tod tritt dann qualvoll langsam und bei vollem Bewusstsein ein: „Es war nichts seltenes, dass Personen, die bereits dem Tode nahe waren, durch Injektionen getötet wurden. Ich selbst habe ca. 5 – 6 solche Injektionen verabreicht.“, gab Oberheuser in ihrem Prozess zu. Herta Oberheuser versuchte später im Nürnberger Ärzteprozess den Eindruck zu erwecken, sie habe aus humanitären Gründen ihren Opfer ein schnelles Ende bereiten wollen. Als weiteren Grund für ihre Handeln nannte sie die Unterstützung der deutschen Wehrmacht – ihre Versuche, die die Folgen von kriegsbedingten Verletzungen untersuchen sollten und somit Behandlungsmethoden verbessern sollten, hätten den Tod von 100.000 deutschen Soldaten verhindert.

Woher kam die Frau?

Im Jahr 1937 trat Oberheuser in die NSDAP ein, nachdem sie bereits 1935 im BDM Mitglied geworden war. 1940 blätterte sie in einer medizinischen Fachzeitschrift und stieß dort auf ein Stellenangebot, welches sie ansprach: Im KZ Ravensbrück wurde eine Lagerärztin gesucht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Oberheusers Familie Geldsorgen, und ihre aktuelle Stelle in einer Düsseldorfer Hautklinik war nicht gut bezahlt. Sie bewarb sich also als Lagerärztin und erhielt die Stelle. Herta Oberheuser, damals 29, arbeitete mehrere Jahre dort, von 1941 bis 1943. Ihr Arbeitsvertrag verbat ihr eine Kündigung; diese hätte ihr nur mit einer Sondergenehmiung genehmigt werden können, doch anscheinend war eine Kündigung der gutbezahlten Stelle gar nicht in ihrem Sinn. Sie wurde allerdings nie Mitglied in der SS – Frauen waren dort nicht zugelassen. Bei ihrem Prozess kam ihr dies zugute: der Tatbestand der Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation, wie sie die SS dargestellt hatte, konnte ihr nicht vorgeworfen werden.

Als SS-Mitglied hätte sie wohl die Todesstrafe erhalten

Herta Oberheuser plädierte vor Gericht auf nicht schuldig – sie zeigte keinerlei Einsicht gegenüber der menschenverachtenden Grausamkeit ihrer Menschenversuche: „Gewiß haben sie [ihre Opfer] seelisch stark gelitten; aber wahrscheinlich schon vorher, weil sie doch mit ihrer Todesstrafe rechneten“, so ihre lapidare Einschätzung.

Als SS-Mitglied hätte sich ihr Strafmaß bis zur Todesstrafe steigern können – kein unübliches Urteil bei dem Nürnberger Ärzteprozess, von ihren Mitangeklagten wurden immerhin sieben zum Tode verurteilt. Herta Oberheuser dagegen konnte das Gefängnis bereits im Jahr 1952 – und damit nach gerade einmal sieben Jahren Haft – verlassen. Da sie den Status einer Spätheimkehrerin erlangen konnte, war ihr sogar eine finanzielle Förderung und berufliche Förderung gemäß des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz sicher.

Entzug der Approbation nach internationalen Protesten

Erst im Jahr 1956 erkannte eine Patientin von Oberheuser, eine ehemalige Inhaftierte des KZ Ravensbrücks, ihre einstige Traktiererin wieder. Besonders argwöhnisch, dass jemand ihre früheren Taten erneut in den Fokus rücken würde, scheint Oberheuser nicht gewesen zu sein; und genauso wenig konnte sie sich über fehlende Patienten beklagen.  Erst 1958 musste sie ihre Tätigkeit als Ärztin aufgeben, da ihre Zulassung – flankiert von internationaler Empörung über ihre erneute Berufung als Ärztin – entzogen wurde.