Holodomor

Molotow und Stalin beim 17. Parteitag der KPdSU

Nach der ukrainischen Hungerskatastrophe in den Jahren 1932/1933 („Holodomor, ukrainisch „Голодомор“ – Tötung durch Hunger“)  hat es in Europa niemals wieder eine vergleichbare Hungersnot gegeben. In den beiden Jahren, in der vor allem die Ukrainer regelrecht ausgehungert wurden – was von der westlichen Welt kaum zur Kenntnis genommen wurde – verhungerten mehrere Millionen, vor allem Ukrainer. Etwa 3,3 Millionen Tote durch Hunger gab es in der Ukraine, schätzt der Historiker Timothy Snyder, und von dieser Anzahl seien mit 3 Mio. auch die überwältige Mehrheit Ukrainer. Auf dem restlichen Gebiet der Sowjetunion seien zusätzlich nochmals ungefähr 3 Mio. Ukrainer durch den Hunger dahingerafft worden.

Stalin wollte die Hungersnot

Die Hungersnot wurde von Stalin nicht nur bewusst in Kauf genommen, sondern sogar in vollem Wissen um die Folgen lanciert. So gab es zum einen Maßnahmen gegen die Bauern, denen noch das letzte Korn Saatgut gewaltsam weggenommen wurde, zum anderen wurden die Getreide-Exporte ins Ausland nicht gestoppt, Nahrungsreserven nicht freigegeben, Spenden nicht zugelassen, Handel verboten. Die Hungersnot wurde offen als Bestrafung der bäuerlichen Bevölkerung angesehen, die sich der Kollektivierung wiedersetzt hatten. Gleichzeitig sprach Stalin auch von dem aufrührerischen Nationalismus, den er unter Ukrainern vermutete – aber unter keinen Umständen zulassen wolle, denn die Ukraine wollte er natürlich nicht verlieren.

Klassisches Beispiel eines sowjetischen Genozids

Der Völkerrechtler Raphael Lemkin spricht bei der Hungersnot 1932/1933 von einen „klassischen Beispiel eines sowjetischen Genozids.“ Die Bundesregierung erkennt jedoch – anders als beispielsweise die USA, Spanien, Polen, Tschechien oder der Vatikan – nicht an, dass in der Ukraine ein Genozid am ukrainischen Volk stattgefunden hat. Auch Deutschland sollte den Genozid anerkennen. Dafür sprechen viele Gründe. Zum einen ist hierzulande immer noch kaum bekannt, welches grauenhafte Ausmaß die Hungersnot 1932/1933 annahm. Zur selben Zeit war man damals in Deutschland mit einem ganz anderen politischen Ereignis beschäftigt. Die Medien waren bestimmt von Hitlers Aufstieg zum Reichskanzler.

Russland hat den stalinistischen Genozid nicht anerkannt und tut wenig, um hier Aufarbeitung zu leisten. Vielmehr wird der Genozid verschwiegen, und Russland über Druck auf Länder wie Aserbaidschan aus, die den Genozid anerkannt haben.

Gerade unter Juschtschenko wurde in der Ukraine selbst das Tabu um die ukrainische Hungerskatastrophe gebrochen, und in einem anti-sowjetischen und vor allem anti-stalinistischen Diskurs besprochen. Unter Janukowytsch wandelte sich dieses Paradigma jedoch zusehends in sein Gegenteil.