Der Finanzdirektor des NSDAP-Verlags Eher hielt sich eher bedeckt, als er nach dem Ende des 2. Weltkrieges über Übersetzungsanfragen für Hitlers „Mein Kampf“ aus dem Ausland sprach. Zahlreiche Angebote verschiedener Verlage hätten ihm seit der Veröffentlichung der Erstauflage von diesem Machwerk vorgelegen. Tatsächlich wurde Hitlers Hetzschrift erst nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ im Ausland rezipiert. Schon 1925 hatten die Verantwortlichen beim Eher-Verlag den Titelschutz für die USA beantragt – entgegen seiner Selbststilisierung hatte Hitler das Ziel, durch hohe Auflagen mehr Geld für sein Gefängnisgeschreibsel zu verdienen.
Dass er damit Erfolg haben würde, deutete sich zunächst nicht an. Als die NSDAP im Jahr 1928 2,8 Prozent der Stimmen sammeln konnte, hatten britische Verleger die Übersetzung nicht einmal in Betracht gezogen. Das änderte sich pünktlich zum 30. Januar 1933. An diesem Tag erwarb Cherry Kearton, Mitarbeiter des renommierten Verlags Hurst & Blackett, die englischen Übersetzungsrechte von „Mein Kampf“ – und war bereit, die hohe Summe von 8000 Reichsmark dafür zu bezahlen. Aus den 782 Seiten in zwei Bänden im deutschen Original wurde eine auf 250 Seiten gekürzte englische Ausgabe. Passagen beispielsweise über die „Rassenschande“ übernahm man für den britischen Markt nicht. Trotz des hohen Preises des Buches war der Titel „My Struggle“ innerhalb von wenigen Wochen ausverkauft. Daran änderten auch die schlechten Kritik nichts: Im „Observer“ hieß es, das Buch enthalte „trockene Bohnen statt den Atem des morbiden Lebens“. In den USA – hier erschien „My Battle“ ebenfalls 1933 in gekürzter Form – stieß die Ausgabe jedenfalls zu diesem Zeitpunkt und in dieser gekürzten Form auf weitaus weniger Interesse.
Abgeschwächte Versionen für das Ausland
„Der unerbittliche Todfeind des deutschen Volkes bleibt Frankreich“ – so schrieb Hitler in „Mein Kampf“. Die französische Übersetzung von 1933 mutet dem interessierten Leser ebenfalls keinen Wälzer von 700 Seiten zu, sondern fasst anhand vieler Zitate auf 169 Seiten das politische Selbstverständnis Hitlers zusammen. Rudolf Heß war über diesen Text nicht erfreut; diese Übersetzung gäbe „demjenigen, der die Originalausgabe nicht kennt, ein ganz falsches Bild vom Führer“, klagte er. Es kam zu Rechtsstreitigkeiten, 1934 wurde die Auflage beschlagnahmt, doch sie kursierte auch weiterhin in Frankreich. Die 1938 erschienene und durch den Eher-Verlag autorisierte Übersetzung „Ma doctrine“ wurde vor der Veröffentlichung getilgt von allzu harten Angriffen auf den Pazifismus, von Hasstiraden auf Frankreich. Auch über Hitlers außenpolitischen Bestrebungen, die auf die Isolation von Frankreich nach einem Bündnis von Deutschland mit Großbritannien und Italien abzielen, findet sich in dieser französischen Übersetzung nichts.
Der Eher-Verlag zögerte in den Anfangsjahren des nationalsozialistischen Regimes mit der Vergabe der Übersetzungsrechte. Allenfalls konnten stark gekürzte Übersetzungen erscheinen, zuerst im faschistischen Italien: Im März 1934 erschien dort „La Mia Battaglia“. „Minha Luta“, die portugiesische Variante, erschien 1934 in Brasilien, auf Dänisch erlebte „Min Kamp“ bis 1936 sogar fünf Auflagen. 1934 wurden auch Auszüge der Hitlerschen Landsbergüberlegungen in einer irakischen Zeitung publiziert. Das Time Magazin behauptete später sogar, dass die Araber in Palästina sehr beflissene Käufer von „Mein Kampf“ wären – doch die Übersetzung konnte zu diesem Zeitpunkt nur in Auszügen erschienen sein: In Zeitungen beispielsweise in Bagdad und Beirut erschienen damals immer wieder Auszüge von „Mein Kampf“. Wie viele nichtautorisierte Übersetzungen damals schon in der ganzen Welt kursierten, ist unbekannt.
Eine russische Übersetzung für Stalin
Der Eher-Verlag jedenfalls verschickte weiterhin Ablehnungen für Übersetzungen: In das Bulgarische, das Holländische, das Ukrainische sollte der Text nicht übertragen werden. Begründungen dazu lieferte man nicht. 1940 hatte ein Exil-Greogier in Berlin eine Übersetzung bearbeitet – die Gestapo verbot ihm, diese an seine Landsleute weiterzugeben. Noch im April 1939 – kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs – wendete sich ein Übersetzer mit einer Anfrage für eine polnische Übersetzung an den Verlag. Dieser wurde natürlich nicht stattgegeben.
Die letzte Anfrage für eine Übersetzung von „Mein Kampf“ kam 1944 aus Rumänien. Deutlich sagt der Eher-Verlag ab; für eine solche Übersetzung „liegt keine Notwendigkeit vor (…) Dasselbe trifft im Übrigen auch für tschechisch, russisch usw. zu.“ In Russland hatte der 1927 aus der bolschewistischen Partei ausgeschlossene Sinowjew allerdings bereits seit 1932 an der Übersetzung von „Mein Kampf“ gearbeitet und äußert sich zum Text wie folgt:
Hitler spricht und schreibt nicht wie normale Menschen, sondern wie Pythia, schleierhaft und verworren. Manchmal erläutert er das Thema sprachlich richtig, hauptsächlich dann, wenn er sich dem Gebiet der sozialen Gruppen und dem „Philosophieren“ widmet. Aber manchmal ist Hitler daran interessiert, seine Offenbarung in bewusst verwickelter Form zu präsentieren, damit man sie so oder so deuten kann.
Seine Ende 1933 fertiggestellte Übersetzung ins Russische hat angeblich auch Stalin gelesen. Fraglich ist jedoch wann.
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