Hans Falladas Roman „Kleiner Mann, was nun?“ erscheint erstmals ungekürzt

Hans Falladas Roman „Kleiner Mann, was nun?“ erschien erstmals 1932. Neuerdings erschien erstmals die ungekürzte Ausgabe des Angestelltenromans – die ein Viertel mehr an Umfang aufweist als bisherige Auflagen. In seinem Nachwort zur Neuausgabe fasst der Literaturwissenschaftler Carsten Gansel die Änderungen der neuen Edition wie folgt zusammen:

Die Streichungen aus dem handschriftlichen Original betreffen das Lokalkolorit der auslaufenden Zwanziger- und beginnenden Dreißigerjahre in der Metropole Berlin und das dortige Nachtleben. Beschreibungen von einzelnen für die Roaring Twenties kennzeichnenden subkulturellen Milieus sind ebenso getilgt worden wie erotische Anspielungen. Verloren gegangen sind darüber hinaus differenzierte politische Positionen der Figuren.

„Kleiner Mann, was nun?“ ordnete sich – jedenfalls in den bisherigen Ausgaben – in die Reihe der Fallada-Erzählungen als vergleichsmäßig eher mageres Bändchen ein. Die Milieuschilderung zählte für den morphinsüchtigen Schriftsteller selbst zu seinen minderwertigen Texten: „Ich persönlich halte es eher für ein schwächeres Buch von mir.“

Die Geschichte des Angestellten Johannes Pinneberg, eine schwache Figur, die nur Hilfe und Zuspruch seiner tatkräftigen Freundin Emma Mörschel („Lämmchen“) mit den Schwierigkeiten der Wirtschaftskrise um 1930 – mehr oder weniger –  zurechtkommt, begründete gleichwohl Falladas Popularität in der Weimarer Republik und rettete nebenbei den Rowohl-Verlag vom Bankrott.

Die liebenswerte Anständigkeit, die die Allianz eines Angestellten und einer Arbeiterin im Roman begleitet, ist programmatisch für Falladas emphatischen Blick auf die Besitzlosen, auf Kleinbürger, Kriminelle und Bedürftige. Er ist kein Freund von literarischen Experimenten, er möchte erzählen – und den Blick lenken auf soziale Not, die er mit realitätsnaher Dramatik plastisch darstellt. „Verständnislosigkeit allem Sozialem gegenüber“ ist ihm ein großes Ärgernis:

Diese Menschen hier leben, als gäbe es überhaupt keine Not, keine Arbeitslosigkeit, keinen Kampf in Deutschland, Vergnügungen, Theater, Bälle, das ist das A und O.